"Pagine corsare"
Cinema
Die 120 Tage von Sodom
“CHILLI“ - Kultur, gennaio 2009

Pasolinis letzter Film erhitzt auch über dreißig Jahre nach seinem ersten Erscheinen weiter die Gemüter
Sex und Folter in ihrer extremsten Form: Einer der bekanntesten und umstrittendsten Filme Pier Paolo Pasolinis ist zweifelsohne „Salò oder die 120 Tage von Sodom“ (Salò o le 120 giornate di Sodoma). Kaum jemand hat ihn je gesehen, und von jenen, deren Neugier überwiegt, halten nur wenige die 120 Minuten durch. Zu grausam ist die Darstellung von Sex und Gewalt, Quälereien und Abartigkeiten scheinen keine Grenzen zu kennen. Nicht nur als der Film 1975 erstmals erschien, sondern auch bei der Neuauflage im vergangenen Jahr erhitzten sich die Gemüter um Pasolinis letzten Film.
„Hostel“ für Fortgeschrittene
Dabei möchte man meinen, dass der Kinogeher so einiges gewohnt ist: Horrorfilme, spritzendes Blut und Perversionen, soweit das Auge reicht. Quentin Tarantino konnte mit den Gewaltszenen in „Hostel“ zwar die Besucher teilweise aus dem Kinosaal vertreiben, an die Grausamkeiten in „Salò“ kommt er jedoch bei weitem nicht heran. Die Schreie nach Verboten sind nach wie vor laut, in Deutschland ist der Verkauf der DVD gar untersagt.
Dabei ist „Salò“ nicht das Produkt der modernen Industriegesellschaft, sondern basiert auf dem Buch „Die 120 Tage von Sodom“ des Marquis de Sade. Dieser verfasste das unvollständig gebliebene Manuskript bereits im Jahr 1785 in der Pariser Bastille, wo er sich, wie den Großteil seines Lebens, in Gefangenschaft befand. Er selbst wurde mehrfach wegen sexueller Übergriffe und unmenschlichen Praktiken angeklagt und verurteilt; das auf seinem Namen basierende Wort „Sadismus“ hat ihn endgültig unsterblich gemacht.
Ungehörte Kritik
Während de Sade die grauenhafte Handlung des Buches auf die Zeit der Regentschaft Ludwig XIV. bezieht, handelt „Salò“ im faschistischen Italien. Die Geschichte bleibt dennoch die gleiche: Eine Gruppe Jugendlicher wird in eine Villa gebracht und dort entsetzlich gequält. Mit herkömmlicher Pornographie hat das nichts mehr zu tun. Vergewaltigungen von Kindern, das Essen von Kot, Verstümmeln des Sexualpartners – die Erniedrigungen und Bestrafungen bis hin zum grausamen Foltermord kennen keine Grenzen. Vor lauter Abartigkeiten bleibt die Aussage, die Pasolini mit seinem Film machen wollte, beinahe auf der Strecke: die Kritik an Folter und Faschismus. Stattdessen sind die Zuschauer, sofern sie es bis zum Ende geschafft haben, geschockt von so viel Grausamkeit und Mordlust. Ermordet wurde Regisseur Pier Paolo Pasolini ebenfalls – im selben Jahr, als „Salò“ in die Kinos kam. Sein letzter Film und de Sades Vorlage schaffen es immerhin bis heute, die Gemüter zu erhitzen.
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